Der Vielsaitige

Saiten-Instrumente

Wenn es darum geht, einem großen Open-Air-Rock-Event den bestmöglichen Sound zu verleihen, ein Klassik-Konzert für den Radioempfang einzufangen oder Musik so auf einen Tonträger zu bannen, dass deren Qualität erhalten bleibt, ist er der richtige Mann. Stefan ist mit Leib und Seele Toningenieur, außerdem ein begabter Musiker, Komponist und Arrangeur. Ins Berufsleben eingestiegen ist er allerdings als klassischer Kaufmann.

Die Liebe zur Musik ist es, die den Weg zum Toningenieur geebnet hat. Schon früh beginnt Stefan, selbst Musik zu machen und verschiedene Instrumente zu spielen. Regelmäßige Auftritte mit unterschiedlichen Bands gehören bald dazu. Alles was Saiten hat, ist in seinen Händen bestens aufgehoben, ob klassische oder E-Gitarre, Bass, Banjo, Ukulele, Mandoline, Mandola, arabische Oud oder Chapman-Stick. Mit diesem besonderen Talent für Töne hat er schon vor dem Abitur im Sinn, sein Können und sein Interesse beruflich umzusetzen. „Ich hatte zwar die Idee, Musiker zu werden oder in den Tonbereich zu gehen, aber es war ein Berufsziel ohne große Aussichten“, erinnert er sich an die damalige Einschätzung. Fehlende Vorbilder und die Ungewissheit, ob der gefühlte Wunschberuf zur Lebensgrundlage reicht, und nicht zuletzt das sanfte Drängen seiner Eltern, zuerst einmal „etwas Gescheites“ zu machen, führen zur Entscheidung, eine klassische Ausbildung zum Industriekaufmann zu absolvieren.

„Das lief gut, ich habe das nicht nur so durchgezogen. Denn wenn ich mich einmal für etwas entschieden habe, dann mache ich das auch mit Herzblut.“ Es ist vor allem die Zusammenarbeit mit anderen Menschen, die ihm gefällt. Die Noten sind gut und der Berufsalltag am Schreibtisch macht so viel Spaß, dass der Berufseinsteiger in der Firma bleibt und die Musik in sein Privatleben verbannt. Das hält er fast sechs Jahre lang durch. „Musik habe ich eben nebenher gemacht.“

Doch sein Musiker-Ich meldet sich und verlangt nach Geltung. Als er an den Punkt kommt, die mit einem befreundeten Musiker geschriebenen und geprobten Stücke nicht nur auf der Bühne zu präsentieren, sondern sie auch professionell aufzunehmen, merkt Stefan, dass er mehr Zeit für die Musik braucht. „Wir wollten versuchen, an Plattenfirmen heranzutreten“, schildert er die damalige Aufbruchszeit. „Ich habe dann die Chance ergriffen, die sich mir bot, und nur noch halbtags gearbeitet.“

Stefan an der Gitarre

Während dieser zwei Jahre verbringt er sehr viel Zeit im Proberaum, um Aufnahmen zu machen. „Und da kam eigentlich erst die Begeisterung für die Technik dazu, die vorher in diesem Ausmaß noch gar nicht auf dem Schirm war. Früher ging es darum, dass ich Musik schreibe und diese aufnehmen will. Dann habe ich sie entweder aufgenommen oder jemanden geholt, der das erledigt hat. Wir besaßen damals schon eigene Bandmaschinen für Aufnahmen und Mischpulte zum Abmischen. Als ich dann selbst so viele Aufnahmen gemacht habe, habe ich gemerkt: Wenn du richtig viel Einfluss hast auf alles, dann kannst du es so biegen, wie du es eigentlich willst. Und du bist von keinem mehr abhängig, musst nicht innerhalb eines Wochenendes alles fertigstellen. Es war ein ‚learning by doing‘, ich habe viele Fehler gemacht und so lange herumprobiert, bis es gut geklungen hat. In dieser Zeit kam mir der Gedanke, ob ich mir das grundlegende Wissen nicht doch noch aneignen sollte, zusätzlich zu dem, was ich schon weiß.“

Der Gedanke rumort über ein Jahr lang. Als klar wird, dass sich die Bandkollegen in unterschiedliche Richtungen entwickeln und das gemeinsame Musikmachen aufhört, kehrt Stefan nochmals in Vollzeit in seinen Büroberuf zurück. Zufrieden ist er allerdings nicht mehr. „Wenn man als Sachbearbeiter im Verkauf arbeitet, muss man manchmal den Kopf hinhalten für Dinge, die man gar nicht verursacht hat, oder den Kunden irgendwas erzählen – am Ende verkauft man sich vielleicht selbst. Mein Gefühl wurde immer stärker, dass ich das nicht bis zu meinem Lebensende tun will. Ich wollte meine Zeit sinnvoller nutzen.“

Er fasst den Entschluss, im Alter von 30 Jahren beruflich neue Wege zu gehen und eine Ausbildung zum Toningenieur zu machen. Der Zeitpunkt erscheint ihm heute noch ideal. „Ich wusste, dass ich es riskieren kann, einige Zeit auszusteigen. Als gelernter Industriekaufmann mit Berufserfahrung hätte ich in den 90er Jahren immer wieder einen Job bekommen.“ Diese Rückversicherung ist jedoch unnötig, wie sich bald zeigt.

Der Umsteiger finanziert das zweijährige Studium zum Audio Engineer mit einem Nebenjob bei einer Dienstleistungsfirma im Medienbereich und spielt in drei Bands gleichzeitig, um Geld zu verdienen. Auch die Eltern sehen, dass die Zukunft des Sohnes in der Musik liegt und unterstützen ihn. Die neu bezogene gemeinsame Wohnung mit der Freundin bringt ihn gleichzeitig näher zum Bahnhof, denn er muss zwei- bis dreimal in der Woche in die knapp 200 km entfernte Ausbildungsstätte pendeln.

Das Studium ist anspruchsvoll. Musiktheorie, Gehörbildung, Akustik, Mediengattungen, Elektrotechnik, Mischpult- und Mikrofontechnik, Produktion und Veranstaltungstechnik gehören dazu. „Man muss Allrounder sein“, weiß Stefan, und genau deshalb passt der Beruf so gut zu ihm. Von den 65 Studienanfängern machen nur 5 oder 6 tatsächlich einen Abschluss. Schon während der Ausbildung kann der angehende Toningenieur Kontakte zu Firmen knüpfen, die ihm einen Job in Aussicht stellen. Und noch während er auf seine Bestätigung wartet, dass er bestanden hat, ruft ihn der Prüfer zu Hause an. „Ich dachte schon, o je, schlechte Nachrichten, aber der Prüfer hat mich gefragt, ob ich kurzfristig einen Job übernehmen kann, den er wegen anderer Studioaufnahmen nicht annehmen konnte.“ Und seitdem arbeitet Stefan als freiberuflicher Toningenieur für unterschiedlichste Auftraggeber, inzwischen fast 20 Jahre schon. „Mir war damals schnell klar, dass ich da angekommen bin, wo ich hinwollte. Ein Zurück ins Büro war unmöglich.“

War die erste Berufsausbildung also nur ein Umweg zum Traumberuf, oder ein notwendiger Karriereabschnitt? Notwendig war er sicher nicht, resümiert Stefan, aber es war auch kein falscher Einstieg. „Ich kann gut von der Erfahrung im Büro profitieren, mache meine Buchhaltung selbst und bin sehr strukturiert und organisiert. Ich arbeite auch jetzt viel mit Menschen zusammen, und es ist ein Vorteil, dass ich das gewohnt war. Es war sicher keine vergeudete Zeit. Direkt nach der Schule hätte die musikalische Existenz wohl auch gar nicht funktioniert, denn ich habe in der Zeit danach noch unglaublich viele Erfahrungen mit Bands und bei Aufnahmen gesammelt. Beim direkten Einstieg in die Technik in jungen Jahren wäre ich wahrscheinlich verloren gewesen.“

Da die Branche in einem ständigen Wandel ist, kann sich der Technikbegeisterte nicht auf seinen Erfahrungen ausruhen, sondern muss sich ständig weiterbilden und immer auf dem Laufenden sein, was neue Gerätetechnik angeht. „Dazu gehört auch, über den Tellerrand zu schauen, was die Kollegen in der Videotechnik machen, denn da verzahnen sich die Anforderungen, es wird immer vernetzter. Natürlich rufe ich nicht mehr laut Hallo, wenn es darum geht, die LKWs zu beladen, das machen inzwischen die jüngeren Kollegen. Und so aufgeregt, wie ich früher war, als es darum ging, die Musik für bestimmte Konzerte zu betreuen, das hat sich auch gelegt. Aber es macht immer noch Spaß und der Beruf  ist eine ständige Herausforderung.“ Das Freelancer-Dasein ist ein weiterer Punkt, warum die Arbeit nie zur Routine verkommt. „Man muss schon zusehen, dass regelmäßig ein neuer Job reinkommt, und es gibt auch Zeiten des Leerlaufs und ebenso Wochen, in denen ich nur unterwegs bin.“ Die freie Zeit verbringt Stefan dann im eigenen kleinen Tonstudio und widmet sich dort seinen musikalischen Projekten, wie Fantastic Celtic Guitar Dreams oder Rising Songs.

 

Fotocredit: Stefan Ibach (Instrumente), David Knipping (Porträtfoto)