Die Qual der Berufswahl

Ausbildungsmessen

Kann eine theoretische Vorbereitung noch vor dem Schulabschluss dabei helfen, dass ein junger Mensch seinen Berufsweg nicht nach den ersten Etappen abbricht und eine neue Richtung einschlägt? Kann man sich ausreichend über einen Beruf informieren, und dann geht nichts mehr „schief“? Die immer häufiger werdenden Ausbildungsmessen und Informationsveranstaltungen diverser Anbieter vermitteln diesen Eindruck.

Die wesentliche Frage „Welcher Job passt zu mir“ beschäftigt Schüler der oberen Klassen bzw. Schulabgänger natürlich enorm. Inzwischen ist es in allen Schularten üblich, dass diese Frage gestellt und im Rahmen des Unterrichts eine Antwort gesucht wird. Wer nicht bereits eine Ahnung davon hat, in welche Richtung es gehen wird – sei es dank vorhandenem Vorbild in der Familie oder im Bekanntenkreis, sei es aufgrund von positiven Erfahrungen mit Berufsbildern, oder sei es schlicht aus einem gegebenen Angebot –, wird von der schieren Fülle an Möglichkeiten überflutet. 330 Ausbildungsberufe gibt es in Deutschland, sagt die Statistik, und etwa 8700 Studiengänge führen zu einem ersten Hochschulabschluss.

Eine Vorsortierung ist also angebracht. Staatliche Institutionen und private Anbieter haben Fragebögen und Checklisten vorbereitet, mithilfe derer die Orientierung einfacher fallen soll. Allen diesen Tests ist gemein, dass sie persönliche Interessen und Stärken abfragen und Möglichkeiten aufzeigen, welche Berufe auf welche Talente passen. Aber reichen 70 Fragen, um einen Menschen und seine Fähigkeiten zu umschreiben? Noch dazu, wenn er noch gar keine Erfahrung im Berufsleben sammeln und sich ausprobieren konnte?

Ausbildungsmessen gehen einen anderen Weg. Hier stellen Unternehmen aus, die einen Ausbildungsplatz anbieten, oder Institutionen, an denen man studieren oder eine andere Art von Ausbildung machen kann. In der Regel ist es ein regionales Fenster, das sich hier öffnet, da sich vor allem Institutionen aus der Region oder dem Bundesland präsentieren. Während der Messetage ist jede Menge los in den Hallen, zu Hunderten strömen die Schüler und Absolventen durch die Gänge,  oft von der Pflichtveranstaltung hergetrieben. Podiumsveranstaltungen, Präsentationen oder Vorträge sollen die Möglichkeit zum direkten Gespräch am Messestand ergänzen.

Ausbildungsmessen sind ein klassischer Marktplatz, wo sich rares Gut (Auszubildender/Student) mit großem Angebot (Ausbildungsplatz/Studienplatz) mischt. Denn die meisten Unternehmen, die sich hier präsentieren, wollen aktiv gegen den Nachwuchsmangel in ihrem Haus vorgehen und vor allem eine große Anzahl an qualifizierten Bewerbungen erreichen. Und die Weiterbildungsstätten sind in der Regel private Hochschulen, die für ihre Studiengänge Gebühren verlangen.

Besucht man eine solche Messe, hat man aufgrund der Enge zwar nicht den Eindruck, dass die Zahl der Schüler und damit potentiellen Arbeitnehmer geringer wird, aber die demografischen Zahlen sagen etwas anderes. Und genau das sollte den jungen Besuchern einer solchen Messe klar sein: Es geht hier nicht darum, ihnen eine umfangreiche Beratung zur Berufswahl zu geben und viele Inspirationen zu liefern, sondern es geht vor allem darum, sie als potentielle Auszubildende oder als Studiengebühr zahlende Studenten zu gewinnen. Denn ein tatsächlicher Einblick in einen Beruf ist während eines solchen Messebesuchs, bei dem es rundherum hektisch und laut zugeht, kaum möglich. Die paar Informationen am Counter lassen sich auch im Internet oder mithilfe eines Telefonats erreichen.

Sind also Berufswahltests und Besuche auf Ausbildungsmessen vergebliche Mühe? Trotz allem nicht. Denn jede Minute, die ein unschlüssiger Noch-nicht-Berufsanfänger damit verbringt, sich über seine Motive, Interessen, Talente und Fähigkeiten und auch über das, was er bestimmt nicht machen will, klar zu werden, ist wertvoll. Der Blick über den Tellerrand auf Dinge, von denen man noch nie gehört hat, bringt einen auf jeden Fall weiter. Zur Antwort auf die Fragen „Was kann ich, was will ich, womit beschäftige ich mich, was ist für mich wichtig?“ gehören jedoch vor allem viele Gespräche mit Menschen, die den Kandidaten entweder gut kennen oder die selbst einen interessanten Beruf ausüben, und außerdem möglichst viele praktische Einblicke in die Berufswelt durch konkretes Ausprobieren. Ganz im Sinne von Konfuzius: „Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können.“